Ich verehre die Beatles. Was spricht also dagegen, den legendären Fab Four endlich ein paar Zeilen zu widmen? Zumindest die Tatsache, dass unzählige Abhandlungen jeglicher Güteklasse zu allen Alben der Liverpooler vorliegen. Daher möchte ich ein Album vorstellen, welches nicht den Bekannheitsgrad diverser Großtaten der Beatles aufweist, und ebenfalls nicht an die Popularität diverser Solowerke der drei "grossen" Beatles heran reicht. So ist Ringos "Goodnight Vienna" aus dem Jahre 1974, ein idealer Einstieg in die unbekannteren Ecken des gigantischen Beatles Universums.
Der sympathische Drummer, stand immer im Schatten der übermächtigen Genies Lennon und McCartney. Selbst ein zweifellos hochkarätiger Musiker und Komponist wie George Harrison, hatte seine liebe Not sich gegen diese Giganten innerhalb der Band zu behaupten. Ein grosser Komponist, Sänger oder Schlagzeug-Gott ist aus Ringo nie geworden. Das ist aber auch völlig unerheblich. Denn der Mann hat auf einem Album wie "Goodnight Vienna" hörbar viel Spass, und kann auf die kompetente Unterstützung guter Freunde bauen.
Ein Jahr vor "Goodnight Vienna" konnte Ringo mit seinem dritten Soloalbum, schlicht "Ringo" betitelt, einen sehr grossen Erfolg für sich verbuchen. Die anderen Ex-Beatles griffen Ringo unter die Arme, ohne jedoch seinen eigenen, leicht bizarren Charme zu übertönen. Diesen Faden spinnt der Nachfolger weiter. Zwar wurde "Goodnight Vienna" nicht ein derart grosser Erfolg wie "Ringo", warf aber immerhin zwei kleinere Hits in den USA ab.
Ich möchte nun ins das Album einsteigen, denn für ausführlichere Abhandlungen zum Thema "Beatles und Solo-Beatles", gibt es mit Sicherheit weitaus besser informierte Fans als mich. Ferner würde der Rahmen dieses Threads völlig gesprengt, wenn man nur einen Bruchteil des Werdegangs dieser Ausnahmekünstler nachzeichnen würde.
Los geht es mit dem flotten Titelsong. Lennons Track wirkt wie ein perfekter Maßanzug für Ringo. Man hört das musikalische Genie John Lennons aus jeder Note dieses Songs. Ringo macht mit seinem fröhlichen "Ungesang" einen echten Gassenhauer aus dem Lied. Ein toller Einstieg der Lust auf mehr macht. "Occapella" hat nicht ganz den Drive des Openers, aber der Spassfaktor bleibt auf hohem Niveau. "OO-WEE" kommt mit einem recht fetten Drumsound daher, angenehmes Klavier und fröhliche Blechbläser ergänzen Ringos Spiel. Abgerundet wird das Menu von herrlich kitschigen Background Vocals. Ich swinge gerade auf meiner Sitzgelegenheit mit. "Husbands and Wives" nimmt das Tempo raus. Hier schmachtet uns Herr Starkey eine traurige Ballade vor. Er trifft wohl nicht immer den richtigen Ton, aber mich stört es nicht. Irgendwie macht auch dieser Mix aus Kitsch und schiefem Gesang Freude, ohne dabei zu sehr ins Lächerliche abzudriften. "Snookeroo" gibt dem Album dann wieder den Drive zurück. Das damals sehr kreative Duo Elton John und Bernie Taupin, hat Ringo diesen Song auf den Leib geschrieben. Elton übernimmt sinnigerweise auch gleich den Piano Part. Klasse! "All by myself" hängt ein wenig durch, auch die Mitwirkung von John Lennon rettet diesen sehr mäßigen Song nicht. "Call me" ist komplett von Ringo verfasst. Ein relaxtes Stück, zwar kein Überflieger, aber weitaus unterhaltsamer als der Song zuvor.
Die Befürchtung Ringo könnte auf halber Strecke die Luft ausgehen, erweist sich glücklicherweise als unbegründet. Der "No No Song" sorgt für beste Laune. Ringo erzählt uns hier von diversen Rauschmitteln, die er natürlich niemals wieder zu sich nehmen will, egal wie sehr man sie ihm auch anpreisen mag. Ein echter Brüller. Ringos Ruf als Abstinenzler hallt bekanntlich wie ein Donnerschlag durch die Konzertsäle und Bars dieser Welt. Ringo setzt gleich noch einen Lacher obendrauf. "Only You (and you alone)" ist völlig bekifft, besoffen -oder Schlimmeres- runter geleiert. Eine unglaubliche Frechheit, ich lag beim ersten Durchlauf lachend vor dem Sofa. "Easy for me" geht Ringo scheinbar etwas ernsthafter an. Streicher schleimen die Gehörgänge voll. Vermutlich würde man fast jedem anderen Künstler diesen Song um die Ohren hauen, aber Ringo hat eindeutig die Lacher und viel, viel Sympathie auf seiner Seite. Anschliessend gibt es ein Reprise des Titelsongs. Ein erstklassiger Rauswurf. Aber im Zeitalter der CD, gibt es natürlich noch Bonus Material auf die Ohren. "Back off Boogaloo" ist eine erstaulich starke Eigenkomposition, die bereits 1972 in Großbritannien veröffentlich wurde, und dort zum Top Ten Hit avancierte. Produziert wurde diese kleine Perle von George Harrison, der den Song zusätzlich mit seinem Gitarrenspiel veredelte. "Blindman", die B-Seite von "Back off Boogaloo", hat man ebenfalls auf die CD gepackt. Hier wird Ringo besonders tatkräftig durch die deutsche Bass Legende Klaus Voorman(n) unterstützt, der darüber hinaus auf den meisten Songs des Albums zu hören ist. Den Schlusspunkt setzt die McCartney Komposition "Six O'Clock". Ursprünglich bereits auf dem Album "Ringo" enthalten, gibt es hier die "Extended Version" zu hören. Ein sehr schöner, sentimentaler Song, feine McCartney Qualität.
Ein Gefühl herrscht auf diesem Album klar vor: Freude! Auch wenn es ein paar kleine Hänger zu vermelden gibt, dieses Stück Musik macht einfach Spass. Man darf natürlich kein bahnbrechendes, epochales Meisterwerk wie "Sgt.Pepper's" oder "Abbey Road" erwarten. Gleichermaßen bieten die Herrschaften Lennon, McCartney und Harrison, auf ihren Solo Werken ebenfalls noch weitaus höherwertiges Schaffen an. Jedoch bereitet uns der gute, alte Ringo kurzweilige, angenehme Unterhaltung. Dafür verdient er Beachtung und Respekt.
Bisher habe ich erst vier Scheiben von Ringo in meiner Sammlung. "Ringo" (1973) wird Freunden von "Goodnight Vienna" mit Sicherheit gefallen. "Ringo's Rotogravure" (1976) habe ich noch nicht oft genug gehört um mir ein Urteil zu bilden. "Ringo The 4th" (1977) gefällt mir bisher nicht sonderlich, weil es sich für meinen Geschmack sich zu sehr dem damaligen Disco und Funk Trend anbiedert.
Da es Unmengen von Solo-Veröffentlichungen der vier Beatles gibt, habe ich immer ein wenig davor zurück geschreckt tiefer in die Materie einzutauchen. Vor ein paar Monaten bin ich zu einem simplem aber effektiven Lösungsansatz gekommen. Ich kaufe jeden Monat ein Album aus diesem riesigem Spektrum. So bleibt genügend Zeit um mit Bedacht und Respekt, den Werken die nötige Aufmerksamkeit zu schenken, und irgendwann das Ziel erreicht zu haben, zumindest alle wichtigen Alben der Künstler vorweisen zu können.
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CD der Woche: Ringo Starr - Goodnight Vienna
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CD der Woche: Ringo Starr - Goodnight Vienna
Ich bin zwar ein Radikaler, aber mehr noch bin ich ein Lüstling! (Lady Snowblood 2: Love Song of Vengeance)