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Platte vs. CD ein Hörbericht von Thias

Verfasst: Mi 2. Jul 2008, 18:12
von Thias
… was soll denn das, werden sich viele fragen.

Der Beweis ist doch schon seit 20 Jahren erbracht: Die CD ist störungsfrei, kein knistern, kein Rillenrauschen, größerer Frequenzumfang, größerer Störabstand, höhere Dynamik – jedenfalls theoretisch.
Diese Argumente konnte ich gut nachvollziehen.

Aber da gibt es immer wieder Leute, die sagen, dass Platte besser klingt als CD.
Als Realist habe ich das als Voodoo-Gelaber abgetan und in die Ecke der Netzsteckdosentuner geschoben.
Bei Platte hatte ich immer noch dieses Quäken und Knistern im Ohr…

Irgendwann hat es mich aber gepackt und ich wollte dieser Behauptung auf den Grund gehen.
Ich habe keine Mühe und Mittel gescheut, mir ein ordentliches Laufwerk zu entwerfen und zu bauen.
Das ist dabei herausgekommen:
Bild
Hier der Baubericht: http://www.nubert-forum.de/nuforum/ftopic20078.html
Zu den technischen Daten:
Masselaufwerk 8 kg Teller
eff. Tonarmlänge 266 mm
eff. Tonarmmasse ca. 24 g
Resonazfrequent ca. 8 Hz
Tonabnehmer MC (Ortofon Valencia)
Entzerrverstärker mit Röhrenschaltung
Sandsteinbasis 40 kg

Als vergleichenden CD-Player verwende ich einen NAD C541i, ein recht gutes Teil mit einem guten Ruf, in der Preisklasse 500 €.
Gehört wird über einen Verstärker NAD C370 und die nuWave 125.

Um wirklich direkt vergleichen zu können, habe ich mir Platte und CD zugelegt von FriendŽn Fellow „Crystal“ Ruf Record (in-akustik) und Lizz Wright „The Orchard“ (Universal).
Die Lautstärke des Phono-Pre war an den CD-Player angeglichen.
Bei den Tests starte ich Platte und CD fast gleichzeitig und kann so die Musikpassagen direkt durch Umschalten mit FB vergleichen. Ich habe keine Blindtests gemacht, war m.M. nach nicht nötig.

Und nun zu den Höreindrücken:
Oberflächlich betrachtet kann man sagen: Da wäre kein dramatischer Unterschied, wenn die Platte nicht doch mal knistern würde in den Pausen.
Das habe ich überhaupt nicht erwartet, nichts quäkendes aus dem Plattenspieler.
Die Platte wird schon mal nicht meilenweit von der CD abgeschlagen, wie ich und viele andere auf Grund der Parameter vermutet hätten.

Um Unterschiede heraus zu hören, muss man wirklich intensiv hören.
Mittlerweile habe ich etliche andere Personen auch hören lassen (sogar meine Frau :wink: ) und die konnten folgende Unterschiede bestätigen:

Der Bassbereich wird fast identisch abgebildet, bei der Platte vielleicht etwas voller, aber auch sehr straff. Da würde ich sagen Gleichstand, denn unterschiedliche Lautstärke könnte man mit einem EQ ausgleichen und hätte gleiche Ergebnisse.
Im Hochtonbereich ist etwas mehr Unterschied hörbar. Die Platte klingt minimal dunkler, löst aber trotzdem genau so gut auf. Nach längerem Hören der Platte (>1min) klingt die CD kratzig und schrill, irgendwie nervend. Nach längerem Hören der CD gibt sich das wieder, ich kannte es bisher ja auch nicht anders.
Das war also der viel gepriesene Unterschied, der analoge Klang in Verbindung mit Röhrenklang. Ich kann jetzt durchaus nachvollziehen, man meint, die Musik kommt mehr als ein Guss, fließender, manche bezeichnen das komischerweise „musikalischer“. Ich mag analytischen Klang und die Monitoreigenschaften der nuWave 125, aber „analog“ klingt das einfach besser. Die Feinheiten werden genau so gut wiedergegeben, nerven aber nicht so sehr.

Der größere Unterschied ist aber folgender:
Wenn ich eine Weile Platte höre und auf CD umschalte merke ich: es fehlt irgend etwas, aber nicht im Frequenzgang. Irgendwie wirkt die Klangbühne platt und blechern.
Bei Platte baut sich eine sehr schöne Bühne auf, besser als bei der CD (obwohl die Kanaltrennung schlechter ist), die Instrumente lösen sich besser von den Boxen. Aber das ist nicht alles. Instrumente und Stimmen bekommen Volumen, werden körperhafter (ich weiß, das klingt schon bald schönhörermäßig, aber es ist so). Die Bühne hat eine Tiefe, ist dreidimensional. Kurz gesagt: sehr scharfe Abbildung der einzelnen Instrument und dabei noch eine tolle Räumlichkeit.
Beim Umschalten auf CD bricht diese Körperhaftigkeit/Tiefe/Räumlichkeit ein ganzes Stück zusammen. Man kann fast sagen, ich schalte von 3D aus 2D um.

Tja, was ist nun das Fazit?
Das analoge Medium Platte bringt mehr Informationen rüber, als die CD und wäre wirklich besser, wenn knistern und das ständige Plattendrehen nicht wäre.
Auch wenn ihr mich für abgedreht erklärt, so wahr ich hier schreibe, ich kann nicht anders. :oops:
Allerdings muss ich noch bemerken, die Kosten eines vernünftigen Wiedergabegerätes für Platten liegen beim Faktor 10 zur CD.
Wenn man sich mit Analogwiedergabe beschäftigt, wird man ständig mit Voodoo konfrontiert, ich bin aber noch nicht infiziert.
Mein "Experiment" hat meine bisherige Überzeugung zerstört und ich muss mich erst mal neu orientieren :roll:

So, und nun zerreißt mich :?

Verfasst: Mi 2. Jul 2008, 19:56
von Malcolm
Super Bericht! Und nach DEM Aufwand... kein Wunder dass Dir die Platte besser gefällt.

Es gibt ja auch noch mehr Vorteile der Platte gegenüber der CD. Man hat eine handfeste Scheibe, es gibt etwas zu "sehen" und nicht zuletzt will die Platte erstmal zeremoniell gereinigt und aufgelegt werden...

Das ganze "drum herum" hat für den ein- oder Anderen LP-Fan etwas mystisches. Da gibts nichts zu bestreiten, die Platte ist "kultiger" als es die CD jemals sein kann.

Und wenn man dann noch sooo einen schönen Plattendreher hast wie Du... viel Spaß beim LP hören.
Ich finde beide Medien haben ihre Daseinsberechtigung- und wenn ich erstmal längere Zeit in einem Eigenheim wohne werde ich mir auch mal einen Plattendreher zulegen für "gewisse Abende".

Was die Höreindrücke angeht:

Sehr interessant, aber natürlich höchst subjektiv. Das ist aber auch egal, hauptsache es gefällt.

Verfasst: Mi 2. Jul 2008, 20:45
von transmission
Alles was ich dazu sagen kann ist: Ein wunderschönes Gerät hast du da. Respekt.

Verfasst: Mi 2. Jul 2008, 20:52
von gereon
wow, erst durch diesen thread habe bin ich auf deinen DIY thread gestoßen, hut ab und großen respekt, sieht klasse aus!
ebenso danke für den bericht, wirklich gelungen!

edit: ich muss mich revidieren, denn erst jetzt habe ich die kompletten berichte und anleitungen gelesen 8O 8O 8O
absolut stark und beeindruckend!!!

Verfasst: Do 3. Jul 2008, 08:24
von Thias
Malcolm hat geschrieben:Super Bericht! Und nach DEM Aufwand... kein Wunder dass Dir die Platte besser gefällt.

...
Sehr interessant, aber natürlich höchst subjektiv. Das ist aber auch egal, hauptsache es gefällt.
... wäre der Bericht objektiver, wenn ich mir ein häßliches Entlein gebaut hätte? 8O :wink: :wink: :wink:


Sicher, wenn es nicht unterschiedliche Testpersonen unabhängig voneinander auch bestätigen, wird es iommer subjektiv bleiben.
Aber ein interessanter Gedanke, vielleicht sollten wir eine Hörsession machen :?:

Ich gebe aber jetzt noch eins drauf:
Hin und wieder produziere ich für Jazz-Pop-Blues-Ensambels Demo-CDŽs. Eine akustische Gitarre nehme ich dann z.B. mit guten Großmembranmikrofonen auf. Feinheiten können damit sehr gut aufgezeichnet werden. Die A/D-Wandlung erfolgt mit 24 bit, ebenfalls der komplette Mix und das Mastern. Erst danach wird auf CD-red-book-Format 16 bit runtergerechnet. So bin ich in der Lage, 100% identisches Material in 16 bit und 24 bit miteinander zu vergleichen (was bei gleichen CD und SACD oder DVDA nicht unbedingt gegeben ist).
Dabei ist mir vor Jahren schon aufgefallen, dass gerade bei akustischen Instrumenten in 16 bit doch etliche Informationen verloren gegangen sind. Man hört da einen Unterschied, jedenfalls, wenn man sein Ohr schult.

Verfasst: Do 3. Jul 2008, 10:14
von nobex
Hallo Thias,

interessant wäre evtl. noch ein Vergleich einer Aufnahme der Platte (DAT oder CD-Recorder) mit dem Original an Deiner Kette. M.E. kann man so den Einfluss der Röhre objektiver beleuchten, wenn die Aufnahme darüber erstellt wurde.

Verfasst: Do 3. Jul 2008, 10:32
von Thias
Hallo Nobex,

ja, das wäre sicher möglich. Ich könnte von Platte mit entsprechenden Studiowandlern in 24 bit auf HD aufnehmen, auf 16 bit runterrechnen und die 3 Varianten (Platte, Aufnahme 16 bit und Aufnahme 24 bit miteinander vergleichen. Das wäre sicher interessant, weiß aber nicht, ob ich dazu Zeit und Lust habe (bin schon wieder an einem neuen Projekt und ich müsste mein ganzes Studioequipment zum Plattenspieler schleppen :roll: )

Verfasst: Do 3. Jul 2008, 10:44
von BlackMac
Hallo Thias,

nimmst du beim Recording mit 24 Bit und 96 kHz (oder höher) Samplingrate auf oder 24 Bit und 44.1 kHz? Welche Recordingsoftware nutzt du und was für ein Dithering-Algorithmus wird zum runterrechnen auf 16 Bit angewendet?

Was die etwas gedämpfteren Höhen beim Vinylhören angeht: Eine Platte fällt im Vergleich zur CD im Frequenzgang deutlich früher ab. Könnte das beim Hörergebnis nicht auch eine entscheidende Rolle gespielt haben? Hat dein CD-Spieler Röhren in der Ausgangsstufe? Sonst wäre der Vergleich gegenüber dem Phono-Preamp mit Röhrenbestückung etwas unfair.

Generelle Klangunterschiede gibt es auch in der Digitaltechnik: Sei es CD-Spieler oder A/D-D/A-Wandler bei Audio Interfaces für den Rechner. Ich vermute das die Unterschiede deutlich schrumpfen, wenn man sich in höheren Preisklassen bewegt. Günstige CD-Spieler können mitunter dazu neigen, das Klangbild geringfügig unnatürlich aufzuhellen. Dann gibt es in der Digitalwelt noch die Aliasing-Probleme, die wir in der Analogwelt nicht haben.

Falls du die Möglichkeit hast:
- Vergleiche mal den Cambridge Audio Azur 840C (CD-Spieler) mit deinem Plattendreher.
- Falls du ein teures Audio Interface hast (RME FireFace 800, Apogee Ensemble oder ähnliche): Nutze ihn als Wandler für deinen CD-Spieler und vergleiche das Ergebnis mit deinem Plattendreher oder CD-Spieler.
- Nehme die analogen Ausgangsignale auf (beispielsweise von CD-Player und Interface) und mache damit einen Phasenauslöschungstest.

Gruss,
Jorge

Verfasst: Do 3. Jul 2008, 12:06
von Thias
Hallo Jorge,
nimmst du beim Recording mit 24 Bit und 96 kHz (oder höher) Samplingrate auf oder 24 Bit und 44.1 kHz? Welche Recordingsoftware nutzt du und was für ein Dithering-Algorithmus wird zum runterrechnen auf 16 Bit angewendet?
Ich arbeite mit Samplitude pro, das lässt ganz unterschiedliche Dithering-Algorithmen zu. Dazu habe ich eine Hammerfall DSP 9632 von RME. Meine AD-Wandler lassen aber nur 24 bit 44,1/48 kHz zu. Warum fragst du?
Was die etwas gedämpfteren Höhen beim Vinylhören angeht: Eine Platte fällt im Vergleich zur CD im Frequenzgang deutlich früher ab. Könnte das beim Hörergebnis nicht auch eine entscheidende Rolle gespielt haben? Hat dein CD-Spieler Röhren in der Ausgangsstufe? Sonst wäre der Vergleich gegenüber dem Phono-Preamp mit Röhrenbestückung etwas unfair.
Ich höre aber nach Ohrenarzt nur noch bis 15 kHz, bin eben schon zu alt. Also gleiche Vorraussetznung :wink: und das schafft die Platte noch so ziemlich. Der NAD hat keine Röhren. Warum soll der Vergleich unfair sein? Ich wollte eine typische Analogkette und eine Digitalkette vergleichen.
Generelle Klangunterschiede gibt es auch in der Digitaltechnik: Sei es CD-Spieler oder A/D-D/A-Wandler bei Audio Interfaces für den Rechner. Ich vermute das die Unterschiede deutlich schrumpfen, wenn man sich in höheren Preisklassen bewegt. Günstige CD-Spieler können mitunter dazu neigen, das Klangbild geringfügig unnatürlich aufzuhellen. Dann gibt es in der Digitalwelt noch die Aliasing-Probleme, die wir in der Analogwelt nicht haben.
Der NAD ist nun nicht gerade ein Billigteil. Der "NAD-Klang" geht auch traditionell mehr in Richtung wärmer, also anders als ein Yamaha. Nach meinen Erfahrungen sind die Unterschiede der CD-Player geringer als die von mir gehörten Platte/CD. Wenn es einen CD-Player gäbe, der so klingt wie der Plattendreher, würde ich ihn sofort kaufen und den Plattenspieler verstauben lassen :?
Falls du die Möglichkeit hast:
nun ja, das sind recht teure Möglichkeiten. An einen CD-Player mit Röhrenausgangsstufe bin ich gedanklich schon stark dran, natürlich als DIY :wink:

Verfasst: Do 3. Jul 2008, 12:13
von nobex
Thias hat geschrieben:Ich wollte eine typische Analogkette und eine Digitalkette vergleichen.
Für mich las sich Dein Vergleich allerdings nach einem generellen Systemvergleich 'Analog vs. Digital'. Darum auch mein Vorschlag, für den digitalen Weg durch eine Aufnahme die gleichen Vorraussetzungen zu schaffen.