CD der Woche: Marillion - Afraid of Sunlight
Verfasst: Sa 22. Jan 2005, 16:03
Moin,
da ich ja mehr der Kunst als der Technik zugetan bin *lol*, habe ich mich entschlossen einmal pro Woche ein Album aus meiner Sammlung vorzustellen. Das können alte Klassiker sein, es können noch recht neue Scheiben sein, es können Megaseller oder Insidertipps sein. Aber es werden immer Scheiben sein, die mir auf irgendeine Art etwas bedeuten und mich bewegen. Vielleicht fühlt sich der eine oder andere dazu angeregt mal etwas Neues zu entdecken, oder eine ihm schon bekannte CD mal wieder aufzulegen.
Anfangen möchte ich mit einem Album einer meiner absoluten Lieblingsbands. Das 1995er Album "Afraid of Sunlight" von Marillion. Damit gehe ich gleich in die Vollen, denn es ist mein Lieblingsalbum der gesamten neunziger Jahre.
Blicken wir also zurück. Die Band stand zu dieser Zeit am Scheideweg. Trotz des grandiosen Konzeptalbums "Brave" (Auf das ich in einigen Wochen sicherlich auch eingehen werde), war der kommerzielle Erfolg deutlich zurückgegangen. In den Achtzigern spielte man in großen Hallen, war sogar Support auf Teilen der letzten Queen Tour. Als Frontmann Fish die Band verließ, da er mit persönlichen Problemen zu kämpfen hatte, befürchteten die Fans das schlimmste. Wer sollte den dicken Schotten ersetzen? Hören Marillion vielleicht ganz auf???
1989 kommt die Band mit neuem Sänger zurück ins Rampenlicht. Steve Hogarth. Ein völlig anderer Typ als sein Vorgänger, und mit einer Wahnsinnsstimme die sich sehr vom Vorgänger unterscheidet. Die richtige Entscheidung, keinen "Fishclone" einzustellen, sondern stattdessen auf zu neuen Ufern. Das erste Album mit dem "Neuen" nennt sich "Seasons End". Es schaut teilweise noch zurück, man bricht nicht mit der Vergangenheit, probiert aber schon mit neuen Sounds herum. Darauf folgt 1991 "Holidays in Eden", ein nettes Pop-Rock Album. Nicht wirklich übel, aber es verschreckt doch viele alte Fans, die sich nun von der Band abwenden. Ein großer Fehler!!! Denn 1994 erscheint mit "Brave" ein meisterliches Konzeptalbum. Ergreifend, tief, bewegend, aber auch anstrengend (Im positiven Sinne). Die Produktion war langwierig und teuer, der kommerzielle Erfolg fällt aber eher bescheiden aus. Der Vertrag mit EMI geht zur Neige, soll man noch ein Album für den Riesen aufnehmen, oder lieber zu einer kleineren Firma wechseln?
Man entschließt sich, noch ein Album für den alten Vertragspartner zu veröffentlichen. Im Vergleich zum Vorgänger entsteht "Afraid of Sunlight" recht flott. Die Band schafft es, unter "erschwerten Bedingungen" ein Überwerk aufzunehmen. Hier zeigt sich eine kleine Parallele zum letzen Album mit Fish,"Clutching at Straws" welches zum stärksten dieser Phase wurde.
Kommen wir nun zum Album. Eröffnet wird der Reigen von "Gazpacho". Ein Song der sehr schwer einzuordnen ist. Er entzieht sich jeder Schublade. Eine grandiose Verquickung von Prog, Rock und Pop. Es dauert einige Durchläufe bis der Song zündet, aber dann ist er gewaltig. Es folgt mit "Cannibal Surf Babe" ein Song, der für viele konservative Fans ein Schock war/ist. Es gibt plötzlich Beach Boys-artige Chöre zu hören, Mark Kelly liefert Keyboardsounds ab, die nun überhaupt nichts mehr mit dem von ihm quasi erfundenen "Neoprogsound" zu tun haben. Ich liebe dieses Stück, es verbreitet gute Laune, am liebsten hüpfe ich dazu durchs Wohnzimmer. "Beautiful" ist dann ein Song, der eine ideale Single abliefert. Selbst meine Freundin mag dieses Stück. Es ist eine kleine Ballade mit einem einfachen Text, die schnell ins Ohr geht, aber auch nach Jahren noch immer zu gefallen weiß. Das macht große Popmusik aus.
Dann näheren wir uns langsam und bedächtig dem "Ohrgasmus". Der düster ambiente Teil des Albums wird durch "Afraid of Sunrise" eingeleitet. Zurücklehnen und genießen. Dann folgt er, DER Song den ich verehre wie kaum einen anderen: "OUT OF THIS WORLD". Selbst auf einem Album welches nur Höhepunkte bietet, sticht dieses Monument nochmals heraus. Hogarth singt wie ein junger Gott, Rothery spielt eines seiner schönsten Soli, Kelly liefert absolute Gänsehautstimmung mit seinen Keyboardteppichen. Mir fällt es auch nach all den Jahren noch schwer diesen Song in Worte zu fassen. Wie ein dunkler, glänzender Sog ergreift einen dieses Stück, keine Chance zu entkommen. "Afraid of Sunlight", der Titelsong, bringt einen wieder auf die Erde zurück. Aber nur um einen gleich wieder entschweben zu lassen, was durch die warme und runde Produktion zusätzlich betont wird. "Beyond You" folgt als vorletzter Song. Steve Hogarth leidet sich durch den Song, sehr ergreifend und traurig. Mit "King" folgt dann ein wahrlich königlicher Abschluss. Der Song steigert sich immer mehr, lässt einen kurz verschnaufen, steigert sich zum Inferno und lässt die CD mit einem Knall ausklingen.
Auch nach knapp zehn Jahren, kann ich mit dieser Platte immer wieder Traumreisen antreten. Die Band hat mit diesem Album endlich völlig zu sich selbst gefunden. Man entzieht sich jeglicher Schublade, Marillion klingen nicht wie irgendwer. Marillion klingen wie Marillion. Leider blieb dieses Götterwerk eher unbeachtet, da sich EMI nicht dazu bewegen ließ, eine ordentliche Promotion zu machen. Für viele Fans ist dieses Album heute ein großer Klassiker, auch ich brauchte einige Zeit, um die wahre Tragweite dieses Albums zu erkennen,
Danach folgten mit "This strange Engine", "Radiation" und "Marillion.com", drei gute Alben, auf denen die Band weiterhin fröhlich experimentiert und immer wieder für Überraschungen gut ist. Aber erst 2001, konnte man mit "Anoraknophobia" ein Werk veröffentlichen welches von ähnlicher Intensität wie AOS ist, aber doch völlig anders klingt. 2004 gab es mit "Marbles" ein weiteres Überwerk.
Wer sich für "Afraid of Sunlight" interessiert, sollte zur Remaster Version mit Bonus CD greifen. Es gibt auf der zweiten CD, sehr interessante, alternative Versionen einiger Songs zu hören.
Ich bitte um Diskussion, und Rückmeldung ob überhaupt Interesse an einem "Album der Woche Thread" besteht.
da ich ja mehr der Kunst als der Technik zugetan bin *lol*, habe ich mich entschlossen einmal pro Woche ein Album aus meiner Sammlung vorzustellen. Das können alte Klassiker sein, es können noch recht neue Scheiben sein, es können Megaseller oder Insidertipps sein. Aber es werden immer Scheiben sein, die mir auf irgendeine Art etwas bedeuten und mich bewegen. Vielleicht fühlt sich der eine oder andere dazu angeregt mal etwas Neues zu entdecken, oder eine ihm schon bekannte CD mal wieder aufzulegen.
Anfangen möchte ich mit einem Album einer meiner absoluten Lieblingsbands. Das 1995er Album "Afraid of Sunlight" von Marillion. Damit gehe ich gleich in die Vollen, denn es ist mein Lieblingsalbum der gesamten neunziger Jahre.
Blicken wir also zurück. Die Band stand zu dieser Zeit am Scheideweg. Trotz des grandiosen Konzeptalbums "Brave" (Auf das ich in einigen Wochen sicherlich auch eingehen werde), war der kommerzielle Erfolg deutlich zurückgegangen. In den Achtzigern spielte man in großen Hallen, war sogar Support auf Teilen der letzten Queen Tour. Als Frontmann Fish die Band verließ, da er mit persönlichen Problemen zu kämpfen hatte, befürchteten die Fans das schlimmste. Wer sollte den dicken Schotten ersetzen? Hören Marillion vielleicht ganz auf???
1989 kommt die Band mit neuem Sänger zurück ins Rampenlicht. Steve Hogarth. Ein völlig anderer Typ als sein Vorgänger, und mit einer Wahnsinnsstimme die sich sehr vom Vorgänger unterscheidet. Die richtige Entscheidung, keinen "Fishclone" einzustellen, sondern stattdessen auf zu neuen Ufern. Das erste Album mit dem "Neuen" nennt sich "Seasons End". Es schaut teilweise noch zurück, man bricht nicht mit der Vergangenheit, probiert aber schon mit neuen Sounds herum. Darauf folgt 1991 "Holidays in Eden", ein nettes Pop-Rock Album. Nicht wirklich übel, aber es verschreckt doch viele alte Fans, die sich nun von der Band abwenden. Ein großer Fehler!!! Denn 1994 erscheint mit "Brave" ein meisterliches Konzeptalbum. Ergreifend, tief, bewegend, aber auch anstrengend (Im positiven Sinne). Die Produktion war langwierig und teuer, der kommerzielle Erfolg fällt aber eher bescheiden aus. Der Vertrag mit EMI geht zur Neige, soll man noch ein Album für den Riesen aufnehmen, oder lieber zu einer kleineren Firma wechseln?
Man entschließt sich, noch ein Album für den alten Vertragspartner zu veröffentlichen. Im Vergleich zum Vorgänger entsteht "Afraid of Sunlight" recht flott. Die Band schafft es, unter "erschwerten Bedingungen" ein Überwerk aufzunehmen. Hier zeigt sich eine kleine Parallele zum letzen Album mit Fish,"Clutching at Straws" welches zum stärksten dieser Phase wurde.
Kommen wir nun zum Album. Eröffnet wird der Reigen von "Gazpacho". Ein Song der sehr schwer einzuordnen ist. Er entzieht sich jeder Schublade. Eine grandiose Verquickung von Prog, Rock und Pop. Es dauert einige Durchläufe bis der Song zündet, aber dann ist er gewaltig. Es folgt mit "Cannibal Surf Babe" ein Song, der für viele konservative Fans ein Schock war/ist. Es gibt plötzlich Beach Boys-artige Chöre zu hören, Mark Kelly liefert Keyboardsounds ab, die nun überhaupt nichts mehr mit dem von ihm quasi erfundenen "Neoprogsound" zu tun haben. Ich liebe dieses Stück, es verbreitet gute Laune, am liebsten hüpfe ich dazu durchs Wohnzimmer. "Beautiful" ist dann ein Song, der eine ideale Single abliefert. Selbst meine Freundin mag dieses Stück. Es ist eine kleine Ballade mit einem einfachen Text, die schnell ins Ohr geht, aber auch nach Jahren noch immer zu gefallen weiß. Das macht große Popmusik aus.
Dann näheren wir uns langsam und bedächtig dem "Ohrgasmus". Der düster ambiente Teil des Albums wird durch "Afraid of Sunrise" eingeleitet. Zurücklehnen und genießen. Dann folgt er, DER Song den ich verehre wie kaum einen anderen: "OUT OF THIS WORLD". Selbst auf einem Album welches nur Höhepunkte bietet, sticht dieses Monument nochmals heraus. Hogarth singt wie ein junger Gott, Rothery spielt eines seiner schönsten Soli, Kelly liefert absolute Gänsehautstimmung mit seinen Keyboardteppichen. Mir fällt es auch nach all den Jahren noch schwer diesen Song in Worte zu fassen. Wie ein dunkler, glänzender Sog ergreift einen dieses Stück, keine Chance zu entkommen. "Afraid of Sunlight", der Titelsong, bringt einen wieder auf die Erde zurück. Aber nur um einen gleich wieder entschweben zu lassen, was durch die warme und runde Produktion zusätzlich betont wird. "Beyond You" folgt als vorletzter Song. Steve Hogarth leidet sich durch den Song, sehr ergreifend und traurig. Mit "King" folgt dann ein wahrlich königlicher Abschluss. Der Song steigert sich immer mehr, lässt einen kurz verschnaufen, steigert sich zum Inferno und lässt die CD mit einem Knall ausklingen.
Auch nach knapp zehn Jahren, kann ich mit dieser Platte immer wieder Traumreisen antreten. Die Band hat mit diesem Album endlich völlig zu sich selbst gefunden. Man entzieht sich jeglicher Schublade, Marillion klingen nicht wie irgendwer. Marillion klingen wie Marillion. Leider blieb dieses Götterwerk eher unbeachtet, da sich EMI nicht dazu bewegen ließ, eine ordentliche Promotion zu machen. Für viele Fans ist dieses Album heute ein großer Klassiker, auch ich brauchte einige Zeit, um die wahre Tragweite dieses Albums zu erkennen,
Danach folgten mit "This strange Engine", "Radiation" und "Marillion.com", drei gute Alben, auf denen die Band weiterhin fröhlich experimentiert und immer wieder für Überraschungen gut ist. Aber erst 2001, konnte man mit "Anoraknophobia" ein Werk veröffentlichen welches von ähnlicher Intensität wie AOS ist, aber doch völlig anders klingt. 2004 gab es mit "Marbles" ein weiteres Überwerk.
Wer sich für "Afraid of Sunlight" interessiert, sollte zur Remaster Version mit Bonus CD greifen. Es gibt auf der zweiten CD, sehr interessante, alternative Versionen einiger Songs zu hören.
Ich bitte um Diskussion, und Rückmeldung ob überhaupt Interesse an einem "Album der Woche Thread" besteht.