Top-Alben Juni 2009:
1. Code - Resplendent Grotesque
Die Musik von CODE könnte man wohl als "Progressive Black Metal" bezeichnen, und das trifft die Sache auch ganz gut. CODE vermischen die klassischen Genre-Elemente mit ausgefeilten Songstrukturen, komplexen Arrangements, atmosphärischen Akustikpassagen und ungewöhnlichen Melodien. Dabei wird auf traditionelle Genre-Konventionen konsequent keine Rücksicht genommen. Wenn es nicht ins Stück passt, dann wird eben auch nicht gebrüllt/gekeift/gegrunzt, sondern clean gesungen - und zwar obendrein auch noch richtig gut! Was die Band zudem von der breiten Masse an ähnlich gelagerten Kapellen in ihrem Genre abhebt, ist das völlige Fehlen von störender "Verkopftheit". Die Musik beeindruckt bei aller Komplexität nicht durch vordergründig spektakuläre Instrumentaltechnik oder eine möglichst große Anzahl an Rythmuswechseln, sondern vor allem durch die einzigartige Atmosphäre fernab jeglicher ausgelutschter Wald- und Wiesen-Klischees.
Musikalische Abwechslung wird dabei groß geschrieben: vom breitbeinigen Black'n'Roll-Brett mit markigem Geshoute ("Possession is the Medicine") über melancholisch-düsteren Alternative Rock in Stil von Katatonia ("I Hold Your Light") bis hin zu bombastischen Black Metal-Epen ("A Sutra of Wounds") reicht die Palette, die sich eigentlich jeder halbwegs scheuklappenfreie Metal- und insbesondere Progmetal-Hörer zu Gemüte führen sollte. Selten hat mich eine Band aus dieser Richtung so tief beeindruckt!
9/10
2. Dream Theater - Black Clouds & Silver Linings
Diese Scheibe könnte im Prinzip perfekt sein. Dafür sind mehr als genug geniale Melodien, Riffs und Songideen vorhanden. LaBrie singt hervorragend, die Produktion ist perfekt, der Sound glasklar und druckvoll. Über die Musiker brauche ich sowieso kein Wort zu verlieren, es geht immerhin um DREAM THEATER. Abwechslung ohne Ende, tolle Soli, interessante und kreative Spielereien. Was die "Rohmaterial-Bilanz" angeht, macht diesem Album im laufenden Jahr so schnell niemand etwas vor. Andere Bands würden aus diesem Fundus eine komplette Karriere bestreiten, und dabei noch nichtmal schlecht aussehen.
Doch leider verspielen DREAM THEATER auch auch mit diesem Album wieder ohne Not eine Höchstwertung, die ich ihnen als langjähriger Fan wirklich gerne gönnen würde. Da wären als Grund zum einen die Texte zu nennen. Die sind im Vergleich zu den 90er-Werken einfach mindestens zwei Klassen schlechter. Warum lässt man nicht mal wieder John Myung einen Text schreiben? Der hat bisher noch immer alles absolut richtig gemacht, wenn er denn mal ran durfte. Der andere - viel schwerwiegendere - Punkt betrifft das Songwriting. Da verzetteln sich DREAM THEATER einfach viel zu oft mit der Aneinanderreiung von Versatzstücken, die leider nicht immer perfekt zusammenpassen wollen. Das klingt für mich, als wollte Herr Portnoy unbedingt sämtliche Ideen aus dem Proberaum auf die Platte bringen, ohne Rücksicht auf die Dramaturgie der Songs. Der rote Faden geht oftmals verloren und die Musik artet in
dem aus, was Kritiker der Band seit jeher am liebsten vorwerfen: seelenlosem Gefrickel. Der eigentliche
Song bleibt dabei auf der Strecke. Leider gibt es viel zu viele solche Passagen auf der Platte, als dass man großzügig darüber hinweg sehen könnte.
So bleibt unterm Strich immer noch ein sehr gutes, lohnenswertes Album, das allerdings nicht an frühere Großtaten wie "Images & Words" oder "Awake" heranreicht, auf denen DREAM THEATER es geschafft haben, Komplexität und spannendes Songwriting auf höchsten Niveau zu verbinden.
8/10
3. Alexisonfire - Old Crows / Young Cardinals
"We are not the kids we used to be" heißt es im Refrain des Openers. ALEXISONFIRE haben die Wut alter Tage (zumindest teilweise) hinter sich gelassen und haben den Spaß am Rocken entdeckt. Gleich mit dem ersten Song haben die Jungs eine waschechte Stadionhymne am Start, und auch mit den folgenden Stücken lässt die Band nichts anbrennen. Gewürzt mit einer ordentlichen Ladung Mitgröhl-Shouts, Pop-Punk-Melodieseligkeit und einem druckvoll-treibenden Schlagzeug ist das ideale Platte für den Sommer. Oder besser gesagt,
wäre, wenn nicht das Album von einer latenten Melancholie durchzogen wäre, die insbesondere in ruhigeren Stücken wie "The Northern" oder "Burial" den Ton angibt. Vor allem letzteres Stück kann einem in schwachen Momenten schon einen kleinen Kloß in den Hals zaubern.
Letztlich ist es aber gerade dieses Wechselspiel aus punkiger Aggressivität und Melancholie, die der Platte den entscheidenden Kick gibt und so interessant und gut macht. Mit "Old Crows / Young Cardinals" toppen ALEXISONFIRE sogar das sehr gute "Common Existence" der Kollegen von THURSDAY (
Februar) und setzen sich damit an die Jahresspitze im Post-Hardcore-Sektor. Respekt!
8/10
4. Placebo - Battle for the Sun
Diese Band muss man vermutlich niemandem vorstellen, PLACEBO sind eine der erfolgreichsten Alternative Rock-Bands der letzten 10 Jahre. Eigentlich traut man der Band so einen Erfolg gar nicht zu, immerhin hat die Musik eine latent melancholisch bis depressive Schlagseite und erinnert mal Gothic, mal an eine etwas poppigere Variante von Düsterrockern wie Anathema. Das ist normalerweise nicht der Stoff, aus dem die großen Hits sind. Trotzdem spielen PLACEBO vor ausverkauften Häusern, haben Headlinerpositionen auf Festivals und verkaufen Millionen Alben.
Vor dem neuen Album wurde ein neuer Schlagzeuger ins Haus geholt, der mit zarten 22 Jahren den Altersdurchschnitt der Band deutlich senkt und ordentlich frischen Wind bringt. Die Songs rocken und grooven wieder deutlich mehr als auf dem Vorgänger "Meds", der selbst für Bandverhältnisse sehr finster ausgefallen war. Die typische Atmosphäre geht dabei zum Glück nicht verloren, und so ist "Battle for the Sun" ein Album geworden, das sowohl gestandenen Rockern als auch Düsterheimern zusagen sollte. Die Songs sind abwechslungsreich, spannend und gespickt mit interessanten (Sound-)Ideen. Das Highlight ist für mich jedoch der Titeltrack, der erst relativ verhalten beginnt, dann aber nach und nach zu einem absoluten Bombast-Hammer mutiert.
8/10
5. Sam Isaac - Bears
Sam Isaac und seine Band spielen Indie, der sich meist im Feld zwischen klassischem Singer-Songwriter und zuckersüßem Twee-Pop (mit Glockenspiel und allem drum und dran) bewegt. Die Musik ist auf sympathische Weise unaufgeregt und unspektakulär, die Stimmung durchgehend positiv. Eine kleine, schöne Indie-Pop-Platte für den Sommer, ideal zum Nebenbei-Hören oder einfach zum Entspannen. Ich könnte mir allerdings gut vorstellen, dass diese Musik, die einfach irgendwie
nett ist (nicht im negativen Sinne!) , manchem Zeitgenossen auf Dauer ziemlich auf den Zeiger gehen könnte. Für mich dagegen ist das die willkommene Abwechslung nach all dem düsteren Zeug weiter oben auf der Liste. Man kann schließlich nicht immer nur finsteres und schwermütiges Zeug hören, sonst schlägt das irgendwann noch aufs Gemüt.
Auf dem Würzburger U&D haben wir uns Sam Isaac samt Band übrigens vor ein paar Monaten (noch vor dem CD-Release) live angeschaut, war ein sehr schönes und sympathisches Konzert!
7/10
Honorable Mentions:
Sonic Youth - The Eternal (Alternative Rock - 7/10)
Minsk - With Echoes in the Movement of Stone (Post-Metal - 6/10)