Nach langer Zeit melde ich mich wieder, um einige Erfahrungen in Sachen "Klang so sauber wie HD800" mitzuteilen.
Seit 2011 bin ich in der Sache nun endlich sehr viel weiter gekommen. 2012 habe ich mir erst einmal die NuVero 4 bestellt (dazu das die NV5 und die NV3 für die Surround-Anwendung) und fand die klangliche Ausbeute zunächst ziemlich gut. Natürlich musste ich dann wieder diese Vergleiche mit dem HD800 + Violectric V200 machen (mittels Mute-Taste am Yamaha-Receiver RX-V1700 leicht durchzuführen) und war dann doch wieder ernüchtert. Die natürlichen Klangfarben, die Auflösung, die Unangestrengtheit.....der HD800 hatte es, und mit den Boxen klang es irgendwie dicht und angestrengt. "Das ist doch keine Violine, keine Stimme, kein Cello...usw" habe ich mir immer gesagt. Da ich selbst als klassischer Musiker und Organist arbeite, kenne ich diese Klänge live sehr gut. Nur beim Kopfhörer empfand ich die Wiedergabe als klangfarbengetreu. Die Hoffnung, diesen Klang irgendwann annähernd einmal mit der körperhaften Dynamik des Lautsprechers und der richtigeren Von-Vorne-Darstellung erleben zu können, habe ich zwischenzeitlich schon aufgegeben. Ob es wohl nur mit extrem teuren High-End-Equipment geht, für welches man sich auch einen neuen BMW 7er leisten kann?
Ich hörte meine klassische Musik also fast ein Jahr lang nur noch mit der Kopfhöreranlage....
Seit einigen Tagen kam wieder Bewegung in die Sache: Ich hatte die Gelegenheit, bei mir zu Hause eine Martin Logan Source aufzubauen und ausgiebig zu hören.
Diese Lautsprecher benötigen einen sehr hohen Aufwand bei der Aufstellung. Ich habe mir diese Zeit genommen und sehr sehr viel probiert.
Prinzipbedingt ist es ja so, dass die Höhen praktisch weg sind, wenn man den Sweetspot verlässt, also z.B. vom Sessel aufsteht. Für den von mir so ersehnten Klang hätte ich das aber ertragen.
Wie klang es nun? Ich war erstaunt, wie stark die Mitten bei der Logan angehoben waren! Es hörte sich für mich ziemlich verfärbt und unangenehm an. Zur Kontrolle habe ich den HD800 aber auch den AKG K701 und die NuVero 4 vergleichend hinzugezogen. Alle dreien klangen mir wesentlich natürlicher und gegenüber den Elektrostaten wesentlich ähnlicher.
Die technisch hervorragend aufgenommen Mozart-Violinkonzerte mit Julia Fischer (Pentatone) klangen mir über die Source anstrengend. Gerade die Solovioline trötete an manchen Stellen regelrecht ins Ohr.
Ich kam auf die Idee, es mit dem eingebauten kleinen EQ des Receivers zu versuchen. Hier meine recht drastischen Einstellungen, die zu einem Ergebniss im Frequenzgang führten, dass sich an den anderen genannten Schallwandlern und an dem, was ich für natürlich halte, orientierte:
1kHz: - 4,0dB
2,5kHz: - 4,0dB
6,3kHz: + 6,0dB
16,0kHz: + 6,0dB
So klangen die Flächenstrahler eigentlich ziemlich gut und die Ruhe und Entspanntheit, die ich mir eigentlich erwartete, wollte sich so einstellen. "Schlimm" für die Elektrostaten war eben nur, dass ich für ein vom Frequenzgang her ähnliches Resultat bei den Veros nichts zu verändern brauchte - hier reichte schon die "Pure-direct" Taste am Receiver. Ein bisschen komisch-topfig klangen die ML wegen des EQ-Eingriffs dann schon, vor allem bei Klavieraufnahmen. Das konnte also alles keine Lösung sein.
Der eigentliche, wirklich grosse Gewinn dieser 2-tägigen Vergleichsaktion ist für mich aber ein ganz anderer: Durch die sehr intensive Lautsprecherschieberei und die ständigen genauen Abstandsmessungen und Ausrichtungen, die nun einmal so ein Elektrostat erfordert,
habe den gleichen Aufwand auch mit der NuVero 4 betrieben.
Dabei bin ich auf eine Lösung gekommen, die mir endlich das gewünschte Klangresultat " annähernd wie HD800" brachte. Ehrlich gesagt: ich bin vor Freude ganz ausser mir!
Ein derartiges Resultat hätte ich mir nicht mehr zu hoffen gewagt. Offensichtlich hatte mein Raum trotz einiger Bedämpfungsmassnahmen immer noch kräftig "mitmusiziert".
Es ist nun nicht so, dass ich nicht schon vorher auf den Zentimeter genau die Boxen ausgerichtet hätte, aber ich habe auch optische (Raumproportion) und praktische Erwägungen zugrundegelegt.
Gestern kam ich dann auf die Idee, die Stressless-Sitzgruppe komplett und ziemlich dicht nach vorne zu verschieben.
Das Stereodreieck ist nun etwas breiter, als wenn es gleichschenkelig wäre - von einer Boxenmitte zur nächsten sind es 2,2m.
Von den um ca. 15Grad angewinkelten Boxen bis zu den Ohren legt der Schall eine Strecke von 1,5m zurück. Obwohl die NuVero 4 nicht ein expliziter Nahfeldmonitor ist, geht das noch sehr gut. Es ist jedenfalls nicht so, dass man schon die einzelnen Chassis wahrnehmen kann. Ob 1,5m schon als Nahfeld bezeichnet werden muss, ist mir eigentlich egal. Jetzt klingt es bei guten Aufnahmen so, als ob man ca. 1-2m hinter einem Dirigenten steht. Man befindet sich im Aufnahmeraum (ähnlich wie bei Kopfhörer) und doch kommt das Schallereignis gestaffelt von vorne.
Die Auflösung und die Klangfarbenechtheit ist nun fantastisch, ebenso die räumliche Tiefe bei entsprechenden Aufnahmen. Bei komplexen Schallereignissen wie z.B. einem Tutti-Satz aus der h-moll-Messe von Bach kann ich nun zu 97% (ein bisschen vom Raum hört man immer noch) ebenso mühelos jede kleinste Mittelstimme heraushören wie bei meinem Referenzkopfhörer. Die räumliche Staffelung im Panorama ist wirklich damit zu vergleichen. Mit den Veros kommt jetzt noch die räumliche Tiefe hinzu, die man in dieser Form nur vom Lautsprecher bekommen kann. Ich schliesse die Augen zu und befinde mich in der Kirche, in der die
h-moll-Messe von J.S.Bach mit Gustav Leonhardt aufgenommen wurde (harmonia mundi). Links bis zur Mitte die Streicher im Halbkreis, das Continuo weiter im Halbkreis hinten schräg rechts und ganz rechts die Holzbläser. Dahinter der Chor, entsprechend der jeweiligen Orchesterstimmen im Kreis nach dem Schema SAATB aufgestellt.
Zwischen allen Phantomschallquellen ist reichlich Luft, jedes kleinste Detail wie z.B. Fingergeräusche auf der Barockoboe wird wie beim Kopfhörer hörbar. die Anstrichgeräusche der Streicher sind da, die Tonalität ist richtig und natürlich, Solosänger stehen greifbar an ihrem jeweiligen Platz im Kirchenraum.
Dass bei Fortepassagen im Tutti (also das ganze Orchester und Chor) es trotzdem aufgelöst und luftig bleibt und der Klang nicht anstrengend in die Ohren quäkt, kenne ich so nur vom Kopfhörer. Der Klang kommt nicht aus zwei Kisten, sondern ist zusammenhängend. In Tiefe und Breite wird ein glaubhafter Raum aufgemacht, in den man sich hineinbegeben kann, ohne sich dabei grossartig von der Vorstellungskraft her anstrengen zu müssen. Man sieht faktisch mit den Ohren (fast wie ein Holodeck für die Ohren...)
Auch die Genauigkeit, die Präzision des Kopfhörers wird nun annähernd erreicht. Da fehlt jetzt nicht mehr viel....und der Verstärker muss sich etwas weniger anstrengen, weil man schon mit geringeren Pegeln alles heraushören kann.
Die Mitten bei den Veros sind übrigens auf Neutralstellung.
Mit meiner Umbaumassnahme habe ich mir sozusagen einen riesigen "Lautsprecher-Kopfhörer" oder "Kopfhörer-Lautsprecher" gebaut. Für spürbare Tiefbässe mit flatternden Hosenbeinen sorgt ja bei Bedarf der Nubert-Subwoofer.
Bei Filmen ist der Spass jetzt auch gesteigert: Jedes kleinste Geräusch von Star Wars Episode I (unkomprimierter Sound von der blauen Scheibe) wird klar und deutlich vermittelt, und dadurch, dass ich nach vorne rückte, bin ich wohl aus einer Zone mit Bassauslöschungen herausgerückt. Jetzt endlich hört man nicht vornehmlich im darüberliegenden Wohnzimmer die gigantischen Bässe, sondern vor allem im Hörraum - so wie es sein soll. Zudem sitze ich jetzt dichter vor dem Bildschirm, wodurch das Kinofeeling auch noch besser geworden ist. Was noch fehlt, ist die Umstellung auf 3D-Schirm - es würde gut zum Klang passen.
Der einzige Nachteil ist nun, dass diejenigen, die nicht im Sweet-Spot sitzen, jetzt stärker benachteiligt sind als vorher, wenn sie neben dem Platz in der Mitte sitzen. Die hören dann hauptsächlich nur den linken oder rechten Lautsprecher. Für diesen geselligen Kinofall mache ich mir deshalb eine Markierung auf dem Boden und kann so die Stressless-Sessel einfach etwas nach hinten verschieben. Wenn der Besuch weg ist, schiebe ich entsprechend zurück. Das ist wesentlich leichter hinzubekommen als Lautsprecher auszurichten, finde ich.
Mein Fazit:
Für relativ wenig Geld erreiche ich bei kurzen Abständen zum Lautsprecher mit diesen NuVero 4
annähernd einen derart sauberen Klang, wie ich ihn nur vom hochwertigen HD800 (und mit Abstrichen auch vom AKG K701) her kenne. Dem Ziel der Live-Anmutung bei klassischer Musik war ich noch nie so nahe, wie jetzt. Gegenüber der Kopfhörerwiedergabe kommt nun noch die räumliche Tiefe, die Vorne-Ortung und die Dynamik der Lautsprecher hinzu.
Der entscheidende Faktor, der die eigentlich sehr gute tonale und schnelle Performance der NuVero 4 "versaut" hat, war tatsächlich der Raum. Je weniger ich von ihm höre, desto besser, desto "kopfhöriger" wird es. Ich bin ja nur an aufgenommen Akustik des Konzertsaals oder der Kirche interessiert.
Nicht, dass ich die Logans schlechtmachen möchte. Von meinem Ideal, dass ich aufgrund meines Arbeitens mit Musik und aufgrund des Hörens mit dem HD800 entwickelt habe, waren sie diesmal jedoch zu weit entfernt, als das mich das überzeugen konnte. Da ich früher selbst Martin-Logan-Besitzer war, war ich etwas enttäuscht. Ich habe diese Schallwandler in besserer Erinnerung. "Schneller" kam mir die Folie jedenfalls gerade nicht vor.
Andere hören das vielleicht anders. Aber einen derartig massiven Eingriff mit dem EQ möchte ich eigentlich nicht als Standardeinstellung haben müssen.
Es gibt den Einwand, dass die Folien in diesem Fall noch zu neu waren und sich mit der Zeit (über 100 Stunden) noch öffnen würden. Ich glaube schon, dass sich da noch etwas tun würde, jedoch glaube ich nicht, dass nach einer intensiven Einspielphase derartig drastische Eingriffe mit dem EQ gänzlich überflüssig wären.
Nubert kann das also - wenn man die störenden Raumeinflüsse so gut es geht minimiert. Möglichst dicht an die Schallwandler `ranzugehen und bei Nubert zu bleiben waren für mich die bezahlbaren Lösungen. Selbst einem Verrückten wie mir wären die Umbaumassnahmen zu aufwendig, um den Hörraum auf die Qualität eines professionellen Masteringsstudios anzuheben.
High-End bedeutet für mich nicht irgendwelche schöne und teure Fassaden am Verstärker oder am Lautsprecher, sondern geschieht dann, wenn die Wiedergabe so natürlich und echt ist, dass man vergisst, dass man ja eigentlich "nur" konservierte Musik hört.
Meinem Eindruck nach ist an dem Spruch, das High-End mit Nuvero 4 (Vero steht ja für Wahrheit...) bezahlbar sei, eine Menge dran, und ich bin nun endlich, endlich......ZUFRIEDEN!