Elektromechanische Systeme unterliegen allesamt einer altersbedingten Veränderung ihrer Eigenschaften und Lautsprecher sind genau solche Systeme. Von daher ist das durchaus plausibel, dass es eine Art Einschwingvorgang geben könnte, die Frage ist nur, wie stark der jrweils ist, ob man ihn messtechnisch beobachten kann oder ob man das auch hört. Schon ohne in die Details zu gehen, kann man letzteres in aller Regel verneinen.
Von der Theorie her gibt es aber einige Dinge, die von Relevanz sind:
Vom technischen Standpunkt ist es in erster Linie die Mechanik, die Effekte verursacht: Zusammengeklebte oder geschweisste Verbindungen unterliegen Verspannungen, die sich lösen und besonders Verschraubungen geben nach. Demgemäß könnte (und dürfte) eine frisch zusammengeleimter Box anders schwingen, als eine, die schon 10h auf dem Buckel hat. Bei fast allen Instrumenten aus Holz ist das definitiv so. Es ist messbar und vielfach auch hörbar.
Auch die Materialien selber unterliegen Dehnungs- und Ermüdungseffekten. Metalle verlieren z.B. während einer grossen Anzahl von Lastspielwechseln bis zu 60% ihrer Festigkeit und ändern ihren Elastizitätsmodul. Daher müssen Metallteile großzügig überdimensioniert sein, wenn sie lange die gleichen Eigenschaften haben sollen.
Solche Effekte gibt es auch in der Elektronik und hier besonders in den Halbleitern. Die elektrischen und magnetischen Felder führen hier zur Atommigration und damit Änderung der Schaltniveaus, besonders wenn sie am Limit betrieben werden. In Spulen und Kondensatoren entstehen Kräfte, die auf die Windungen und Folienlagen einwirken. Diese verlagern sich und ändern ihre Eigenschaften.
Soweit die Theorie. Aus der beruflichen Praxis z.B. folgende Effekte bennen:
Die Isolation in manchen Kabeln ändert bei hohen Spannungen ihre Kapazität / Dielektrizität und damit altern sie belegbar. Allerdings betrifft das nur das HF-Verhalten. Bei Audio <100kHz ist das nicht relevant und mit Sicherheit nicht hörbar.
Bei AD-Wandlern verschieben sich die Referenzspannungen und bei OPs die Common Mode Rejection. Beides muss in Systemen für messtechnische Zwecke ständig nachkalibiert werden. Ob es sich beim Audio hörbar niederschlägt, muss aber in aller Regel bezweifelt werden. Gute Mischpulte gehen aber regelmäßig zum Service und werden nachgearbeitet
Kondensatoren ändern ihre Kapazität im Laufe ihres Lebens durchaus um 25% und mehr. Solche Dinge schlagen sich bei Lautsprechern mit Sicherheit auf die Weichen nieder - wie stark, muss man im Einzelfall betrachen. Da die Wärme- und Spannungsbelastung eine grosse Rolle spielt, verbaut man frequenzbestimmende Kondensatoren in Messtechniksystemen so, dass sie kühl bleiben und nur zu 20% ihrer Nennlast gefahren werden.
In den Fällen, wo es auf genaues mechanisches Schwingverhalten ankommt, werden Metallteile auf Rütteltischen geschüttelt, bevor sie eingebaut werden, damit sie schon entspannt montiert sind. Das betrifft z.B. Aufhängungen für Hochleistungsoptiken etc.
Üblicherweise verhalten sich solche Effekte nach einer Badewannenkurve: Die Veränderung ist am Anfang sehr stark, dann schwach und kurz vor dem Alterstod wieder stark. Wenn sich was tut, so tut es sich sehr rasch bei der Erstinbetriebnahme oder dann nur sehr langsam - auf Dauer jedenfalls mit Sicherheit nur mit einem Vorher-Nachher-Vergleich zu erfassen.
Mein Fazit:
Da die meisten Lautsprecher / Komponenten vor und nach dem Zusammenbau getestet und eine Weile betrieben werden, sollten sich diese Einschwingeffekte schon abgespielt haben. Zudem unterstelle ich mal, dass die meisten Hersteller ihre Mechaniken so dimensionieren und montieren, dass kleine Veränderungen im Gefüge keine akustische Bedeutung haben sollten. Auch Elektronik kann man mehr oder weniger temperatur- und langszeitstabil auslegen.
Daher kann umgekehrt annehmen, dass es solche Effekte mindestens dann gibt, wenn z.B. beim Bau geschlampt wird, die Verleimung nicht optimal ist oder Schrauben nicht perfekt sitzen. Wenn ein Chassis mit einem anderem Druck im Holz sitzt, resoniert und dämpft es mit Sicheheit anders und einfache Weichenelektronik aus wenigen / bzw billigen Bauteilen dürfte sicher mehr driften.
Wenn man aber eine Box ausreichend schwer und stabil baut, mit guten Bauteilen versieht und eine Weile laufen lässt, sollte sich da irgendwann nicht mehr viel tun. Dann kann man sie passend selektrieren und vermuten, dass sie nicht- oder nur wenig altern und wenn, dann ähnlich zueinander.