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Die verschneite Winterwiese

Grundlegende Fragen und Antworten zu Lautsprechern
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syntheticwave
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Die verschneite Winterwiese

Beitrag von syntheticwave »

Hallo,
in vielen Forumsdiskussionen merke ich immer wieder, das wir nur eine ziemlich diffuse Vorstellung davon haben, was denn das räumliche Schallfeld, das wir wiederherstellen wollen, überhaupt ist. Ich hab auf der http://www.syntheticwave.de/Schall%20im%20Raum.htm Seite mal versucht, ein ganz einfach vorstellbares Modell davon zu beschreiben:

Wenn wir alle Reflexionseigenschaften des Aufnahmeraumes, die Ausrichtung und Position der Quelle darin und deren räumliche Abstrahlcharakteristik kennen und aus diesen Daten alle Positionen und Pegel der Spiegelschallquellen im Aufnahmeraum bestimmt haben, ist sein räumliches Schallfeld vollständig beschrieben.

Wir könnten es dann in einer reflexionsarmen Umgebung, beispielsweise auf einer grossen verschneiten Winterwiese, vollständig wiederherstellen. Dazu müsste nur die trocken aufgezeichnete Stimme des Heldentenors aus vielen räumlich verteilten Einzellautsprechern abgespielt werden. An jeder Position, an der im Aufnahmeraum eine Spiegelschallquelle entsteht, müsste ein solcher Lautsprecher montiert sein. Der Signalinhalt wäre von Quelle selbst oder der vorhergehenden Reflexion vorgegeben, die Filterwirkung der aktuellen Reflexionsfläche würde den Pegel mindern.

Mit der Entfernung wird die Zahl der Lautsprecher immer grösser, weil ja jede Reflexion Quelle von mehreren weiteren Reflexionen ist. Eigentlich würden wir also unendlich viele Lautsprecher brauchen. Aber in mehr als, sagen wir 1000 Meter Entfernung von der primären Quelle, also nach ca. 2,5 Sekunden Schallaufzeit durch die frostige Luft der Winterwiese, geschwächt von zwanzig oder dreissig Reflexionsverlusten, Luftschalldämmung und Schalldruckabnahme wegen der wachsenden Entfernung, unterschreitet der Pegel die -60 dB Grenze, welche die Nachhallzeit bestimmt. Weiter entfernte Lautsprecher wären nicht mehr hörbar, wir können deshalb auf sie verzichten.


Ich sehe keinen Grund, aus dem sich der akustische Eindruck auf dieser Winterwiese von dem im Opernhaus unterscheiden sollte. Ihr vielleicht :?:
Gruss H.
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Realist
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Beitrag von Realist »

Wow :sweat: , das komplexe Thema geschlossener Räume ist sehr gut und ausführlich beschrieben, ... größte Hochachtung nach Erfurt! :D

:idea: Eine Frage sei mir aber bitte gestattet: Hast Du schon mal ein open-air-Konzert besucht? Wieviele Schallrichtungen laufen ohne jegliche Reflexion ins unendliche? :) Genau, ... ebensoviele unendliche Richtungen!

Wie wird bei vielen eine open-air-Veranstaltung qualitativ gegenüber den eigenen Räumen empfunden? Mal ganz unabhängig von irrsinnig hohen Pegeln betrachtet ? :?:

Wenn alle Schallreflexionen so sehr schadhaft für das eigene Hörempfinden verantwortlich sind, würde jeder Highend-Musikliebhaber
seine 100.000,-€ Standbox auschließlich im Garten genießen.

Zudem kommen ja zur Musikreproduktion noch viel entscheidendere Faktoren zur Geltung als nur die leidige Raumakustik! Betrachte nur mal Dein eigenes Gehör zu verschiedenen Tagesformen? Zudem die Tagesform des produktionsverantwortlichen Toningeneur's? Das Kabel des zur Aufnahme verwendeten Mikrofon's? Die dahinterliegende Aufnahmekette usw usw.

Wie Du sehr richtig beschrieben hast, es wären unendlich viele Schallquellen an unendlich vielen Ort(ung)en notwendig, um die 100%ige Raumakustik zu beschreiben. ... oder ihr real mit Technik entgegenzuwirken.

Nur haben alle Einflussfaktoren so sehr viel mehr Einfluss, als die bis in die letzte Nuance detailiert erforschte Raumakustik.

Noch einfacher, an einem Sonntagmorgen möchte der Audiophilste HIFI-Freak seine Lieblingscheibe genießen, leider empfindet er diese heute als wenig erfrischend! Ursache von alledem ist nicht die schwankende Spannung seines Stromanbieters, sondern sein ungewaschenes Ohr!

Ich möchte damit ausdrücken, nachwievor sind wir alle Menschen aus Fleisch und Blut, hören auf alle Ewigkeit analog(kein Trommelfell oder LP-Membran der Welt macht Rechteckbewegungen ... auch nicht zukünftig), insofern ist Deine Erforschung(Betrachtung) von Raumakustik bemerkenswert und aus meiner Sicht auch sachlich forsch richtig, schießt nur weit am Ziel, der hier im Forum interessierten Leser und Schreiber weit vorbei.

Dennoch meine Hochachtung zum Thema Raumakustik, sehr viel Zeit und Gehirn investiert! :wink:

... mit audiohpilen Grüßen
Der Realist :D
syntheticwave
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Beitrag von syntheticwave »

Realist hat geschrieben: Wenn alle Schallreflexionen so sehr schadhaft für das eigene Hörempfinden verantwortlich sind, würde jeder Highend-Musikliebhaber
seine 100.000,-€ Standbox auschließlich im Garten genießen.

Zudem kommen ja zur Musikreproduktion noch viel entscheidendere Faktoren zur Geltung als nur die leidige Raumakustik! Der Realist :D
Hallo Realist,

freut mich dass Dir die Beschreibung gefällt.
Wenn da rübergekommen ist, dass Schallreflexionen schadhaft für das Hörempfinden sind, muss ichs aber nochmal überarbeiten. Gerade die ersten Reflexionen sind doch das Salz in der Suppe, sie sind es doch, die überhaupt erst den räumlichen Eindruck erzeugen.

Schadhaft sind nur Reflexionen, die in Zeit und Pegel deutlich von denen im Aufnahmeraum abweichen. Leider lassen die sich aber im Wohnzimmer nicht vermeiden. Was in dem Artikel vielleicht deutlich wird ist, dass wir mehr Wert auf das Zusammenspiel von Lautsprecher und Raum achten müssen. Die räumliche Abstrahlcharakteristik ist da sicher viel wichtiger als die letzten zwei db linearität im Frequenzgang.
Gruss H.
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Realist
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Beitrag von Realist »

Hi Synthwave,

eigentlich kam es gar nicht so rüber(höchstens subjektiv), dass Reflexionen ausschließlich schadhaft sind, nur in der Fülle der komplexen(sicher notwendigen) Beschreibungen vielleicht ein wenig ... :wink:

Nun, es ist schon für jeden verständlich, ohne Reflexion(en) kein akustisch Räumlicher Eindruck!
Allein zur Auslegung eines Lautsprechergehäuses sind schon, bevor die Schallwelle das Gehäuse verlässt (direkt o. indirekt) (Geschlossen/BR/Transmissionline), Reflexionen berücksichtigt bzw. unterdrückt.

Was aus meiner Sicht viel entscheidender ist, in welchem Betrachtungsrahmen bewegt sich der Konstrukteur ?
Entwickelt er eine LP-Box für 12qm oder 48qm? Schallhart oder dessen bestimmter Raum besonders gedämpft ?
Ein Kompromiss folgt den nächsten. :roll:

Wenn der Entwickler den "einen einzelnen" Einsatzbereich zu 100% von nur dem "einen Nutzer" beschrieben bekommt, wird das akustische Ergebnis mit einem Bruchteil an finanziell materiellem Aufwand alles zuvor dagewesene schlagen. Leider nur für "diesen einen" Nutzer.

Da mittlerweile fast alle Produkte für die "Messmethoden von Fachzeitschriften" entwickelt werden und nicht für Ottonormalverbraucher,
ist das dessen eigenes kommerzielles Verschulden. :!:

Ich komme aus der Fahrzeugbranche, insofern kann ich in der Technik ein wenig mitreden. Schon zur Entwicklungszeit vom Golf II(1982) hat der VW-Konzern erkannt, nicht das Produkt selbst, sondern das drumherum und dessen Image und die dazugehörigen Testergebnisse sind der entscheidende Faktor.

Selbst G.Nubert wurde vor vielen Jahren von Fachhändlern heimgeschickt, weil er keine tollen Testergebnisse für seine Boxen vorweisen konnte, obwohl die Produkte sicher ordentlich waren und sind.

Siehe derzeitige Testauszeichnungen! :!:

... was folgt aus dieser Erkenntnis? Analysiere alle Meinungsmacher(Medien/Fachblätter) erstelle eine Schnittmenge(berücksichtige dabei die jeweilige Wertigkeit) und schon hat man(n) den optimalen Kompromiss für (s)ein erfolgreiches Produkt.

... süffisant hinzugefügt: Welches Körper-gewicht(-maß) muss ein Sitzentwickler berücksichtigen, wenn er einen (Fahrer)Sitz entwickelt für einen Kleinwagen? ... sicher nur ein 50KG-Persönchen(Frau), oder?

Puh, jetzt fährt aber der 100kg-Mann Frauchen's Kleinwagen zum Tanken fühlt sich dabei sehr unwohl, weil nichteinmal der Sitzverstellbereich für Ihn ausreichend ist ... genau dieser Mann entscheidet aber beim nächsten Autokauf !!! ... Was nun ?

Hinzukommen viele körperlich größergewachsene Kleinwagennutzer, auch weiblich, oder männlich, oder oder oder ...

Also, nimmt er die Maße vom Durchschnittseuropäer ... halt, geht nicht, das Produkt soll ja auch nach Asien exportiert werden ... !

Nachwievor habe ich mich nichteinmal über das Sitzfarbempfinden/Material der einzelnen Regionen geäußert, es ging nur um die Maße!

... kannst Du annähernd nachvollziehen, wieviel äußere Faktoren für den Erfolg/Misserfolg irgendeines Produktes verantwortlich sind?

Jetzt kommt G.Nubert, versucht alles mögliche, um das letzte dB Linearität über seine Frequenzweiche zu glätten, (verlangen und beurteilen ja alle Fachblätter) leider! Beim ersten Kunden in seinem Reflexionsfreudigen Raum, werden bestimmte Frequenzen hervorgehoben oder unterdrückt. Das Produkt für den Nutzer völlig unzufriedenstellend, ... was nun? :roll: ... naja, aber hübsch ist die Box aber schon ... ! :D

Ich möchte hiermit nur darstellen, das jedes Produkt sosehrviele Kompromisse beeinhaltet, das ein eigenes probieren über jedem Testergebnis steht! :idea:

... somit übertragen auf Lautsprecherboxen: Der eine liebt den reflektierten Diffusschall, kauft rückabstrahlende Dipole der andere sogar Punktstrahlende Koaxe (beide bewegen sich aber in physikalisch gleicher Gesetzmäßigkeit) ... ich würde eine Schnittmenge über alle Boxenkäufer bilden und darauffolgend den favorisierenden Käufer ermitteln und für diese Hauptzielgruppe entwickeln und vermarkten, (dabei aber deren Stimmungsmacher berücksichtigen), ... nichts anderes machen alle erfolgreichen Unternehmen, ... Nubert eingeschlossen! ... mir persönlich gefällt das schnörkellose Nubert-Design, frei nach dem Prinzip "form follows funktion"!

Mit audiophilen Grüßen,
der Realist :D
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Re: Die verschneite Winterwiese

Beitrag von Rank »

syntheticwave hat geschrieben:...

Wenn wir alle Reflexionseigenschaften des Aufnahmeraumes, die Ausrichtung und Position der Quelle darin und deren räumliche Abstrahlcharakteristik kennen und aus diesen Daten alle Positionen und Pegel der Spiegelschallquellen im Aufnahmeraum bestimmt haben, ist sein räumliches Schallfeld vollständig beschrieben.

Wir könnten es dann in einer reflexionsarmen Umgebung, beispielsweise auf einer grossen verschneiten Winterwiese, vollständig wiederherstellen.
...
...
Ich sehe keinen Grund, aus dem sich der akustische Eindruck auf dieser Winterwiese von dem im Opernhaus unterscheiden sollte. Ihr vielleicht :?:



Nur die wenigsten Musiker würden wahrscheinlich über eine "verschneite Winterwiese" nachdenken (ausser vielleicht zum rodeln oder Skifahren). :wink:
Warum :?: - Weil ein Musiker wahrscheinlich etwas "unkomlizierter" darüber denkt - also einfach raus aus dem Mischpult und rein in die PA-Boxen. :!: (und hierbei ist es ihm dann sogar relativ egal, ob die PA-Lautsprecher für's Konzert drinnen oder draußen im Freien stehen)

Mal ganz ehrlich - nur die wenigsten Konzerte finden völlig "unplugged" ohne jegliche Elektronik & Lautsprecher statt - wir kennen es doch inzwischen fast gar nicht mehr anders.
Vielleicht sollte man es sich bei der Aufnahme & Wiedergabe genauso einfach wie beim Live-Konzert machen - also einfach raus aus dem Mischpult und rein in's hochwertige Aufnahmegerät und von dort zur hochwertigen Stereo-Wiedergabekette.

Daher von mir die Gegenfrage:
Warum sollte man im Hifi-Sektor überhaupt "künstlich" Raumklang produzieren, wo doch beim richtigen Live-Konzert quasi auch auf künstlichen Raumklang verzichtet wird und meist eine (mehr oder weniger) gewöhnliche Stereo-Wiedergabe über PA-Lautsprecher stattfindet?

Zusätzlich taucht noch die Frage auf, ob denn ein Orchester das auf einer verschneiten Winterwiese musiziert wirklich schlechter klingen würde als im Opernhaus?



Gruß
Rank
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Beitrag von syntheticwave »

Hallo Rank,

ich will ja auch niemanden wirklich erfrieren lassen. Das mit der Winterwiese ist nur eine Modellvorstellung, die Zeigt dass es nicht völlig unmöglich ist, die Akustik eines Konzertsaales völlig korrekt zu reproduzieren.

Klassische Konzerte in einem der berühmten Konzertsäle wie Wiener Musikvereinssaal, Sydney Opera oder Leipziger Gewandthaus sind ein unvergleichliches Erlebnis, auch wenn die keine guten Verstärker haben. :wink:
Im freien Klänge das armseelig, die räumliche Verteilung der Reflexionen ist substantiell.

Mit PA bei Popkonzerten ist das anders. Die Hallen sind selten unter akustischen Gesichtspunkten gebaut. Man muss viele zahlende Zuschauer reinbekommen, dafür nimmt man viel zu lange Schallumwege in Kauf, die ersten Reflexionen kommen viel zu spät. Eigentlich soll ihr Umweg gegenüber der direkten Welle immer weniger als siebzehn Meter betragen. Aber solche Hallenakustik ist furchtbar, wenn die Lautsprecher nicht genug Direktschall erzeugen, versteht man oft kaum die Texte. Dann ist die Winterwiese wirklich besser- jedenfalls im Sommer. :P

Hinter Deiner Gegenfrage steckt vermutlich die" zwei Ohren- zwei Lautsprecher" Philosophie. Die ist für die Heimwiedergabe aber ein völlig unbrauchbarer Denkansatz. Die Gründe dafür habe ich hier: http://www.syntheticwave.de/Stereo_Probleme.htm so kurz wie möglich beschrieben.

@realist:

ich sehe das auch so, dass Parameter wie räumliche Abstrahlcharakteristik oder Phasenverhalten viel wichtiger sind als die letzten zwei dB Linearität. Wenn man sich aber im klaren ist, welche räumliche Struktur das Schallfeld überhaupt hat - und dafür ist ja die Winterwiese ein vorstellbares Modell - kann man viel bessere Rückschlüsse darauf ziehen, welche Box bei welcher Aufstellung bei welchem Programmaterial am besten ist.


Gruss Helmut
Gruss H.
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