Moschico hat geschrieben:@ Frank Klemm
Ein BR-System und ein Passivmembransystem sind technisch gleichwertig.
Siehe Technik satt:
http://www.nubert.de/downloads/ts_30-31 ... leiche.pdf
Da stehen die wesentlichen Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Konstruktionstypen.
Leider ziemlich falsch.
Kann man zum einen nachlesen (wozu man möglichst vertrauenswürdige Quellen, z.B. AES Paper benutzen sollte), zum anderen kann man es ausrechnen, wenn man allem mißtraut. Was man benötigt, ist Newton und Lorenz (die sich seit Jahrhunderten als sehr universell herausgestellt haben).
Da das hier aber kein Ing oder Physikertreff ist, mit etwas zarteren Mitteln.
Baßreflex (BR) und Passivmembran (PM) stellen (Schall-)Strahler dar, deren Vorderseite direkt abstrahlt und deren Rückseite über einen (Helmholtz-)Resonator abstrahlt. Ähnlich wie in der Elektrotechnik kann man da verschiedene "Bauelemente" verschalten. Die geschlossene Box ist die einfachste "Schaltung", die oben genannten
"Schaltungen" die nächst komplizierte.
In BR und PM wird an die hintere Kammer ein Resonator angekoppelt, dessen Aufgabe es ist, im Bereich um seine Resonanzfrequnz herum dem Aktivchassis Energie zu entziehen und selbst abzustrahlen. Das ganze hat zwei Vorteile:
- die Aktivmembran wird hubentlastet, in der Nähe der Resonanzfrequenz wird ein Großteil der Energie nur über das BR-Rohr abgestrahlt.
- die Aktivmembran bekommt durch diese Hubentlastung überhaupt erst wieder Strom und Leistung in der Nähe der Resonanzfrequenz zugeführt °)
Der Resonator besteht aus einer Masse, die über das Luftpolster der Box an die Aktivmembran angekoppelt ist. Im Falle der PM besteht eine weitere Ankopplung an das Gehäuse über die Aufhängung der Masse.
Kommen wir zu den Unterschieden zwischen BR und PM:
1. Die Luft im BR-Rohr kann beliebig verschoben werden, eine Passivmembran hat wie eine Aktivmembran eine begrenzte Auslenkbarkeit. Durch geeignete Dimensionierung muß dem Rechnung getragen werden.
2. Eine PM erzeugt Rückstellkräfte, die Membran wird durch die Aufhängung wieder in die Ruhelage gezogen. Das erzeugt eine Nullstelle in der Übertragungsfunktion. Durch geeignete Dimensionierung muß dem Rechnung getragen werden.
3. Die Rohrlänge von BR-Systemen nimmt bei sehr tiefer Abstimmung schnell utopische Werte an, die nicht mehr realisierbar sind. Es müssen daher bei der Dimensionierung Kompromisse geschlossen werden. PM weisen dieses Problem nicht auf.
4. PM-Systeme erzeugen keine Strömungsgeräusche. Es treten weniger Störgeräusche auf.
5. PM-Systeme sind teurer. Hobbybastler haben im Prinzip her keinen Zugriff auf geeignete Passivmembranen.
6. Die Hubentlastung der Aktivmembran nimmt bei hohen Pegeln erheblich ab. Durch geeignete Dimensionierung läßt sich der Effekt etwas reduzieren. PM-Systeme sind in dieser Beziehung deutlich einfacher zu dimensionieren.
Unabhängig von den 6 Unterschieden erkläre ich erst mal das Hauptproblem von BR-Systemen:
A. Um die Strömungsgeschwindigkeiten klein zu halten (damit keine Strömungsgeräusche entstehen, die Hubentlastung der Aktivmembran optimal ist, keine Nichtlinearitäten und keine Kompressionserscheinungen auftreten), muß das BR-Rohr einen großen Durchmesser haben.
Was ist ein großer Durchmesser?
Mindestens der Membrandurchmesser.
Dann sind erst ab 20 mm Hub der Aktivmembran negative Auswirkungen unübersehbar.
B. So ein großes Baßreflexrohr führt zu unpraktischen Längen. Ein 30 cm-BR-Rohr an einer 30 cm-Aktivmembran führt bei einer Box mit 100 Litern zu BR-Längen im Bereich um die 3 Meter.
C. Das ist nicht machbar (weiterhin verliert bei dieser Länge das BR-System an Wirkung, weil es nicht mehr als ganzes schwingt, man begibt sich in Richtung TML-Konstruktionen), deswegen ist man zu Kompromissen gezwungen:
- Man kann die Rohrlänge dadurch reduzieren, daß man das Rohr dünner macht. Die Auswirkungen sind in A. dokumentiert.
- Man kann das Gehäuse größer machen. Je mehr Luft in der Box, um so mehr weniger Masse an Luft braucht der BR-Kanal. Doppeltes Volumen halbiert die Tunnellänge, außerdem hat man dann den Platz für den Tunnel.
- System etwas höher abstimmen. 10% höhere Abstimmung verringert die Tunnellänge um 17%. Der Maximalpegel unterhalb 90% der Tunnelfrequenz sinkt damit allerdings.
- Man zieht auf einen Planeten mit dickerer Athmosphäre.
D. Selbst wenn machbar, ein BR-Rohr von 3 Metern ist nicht billig. Es gibt mindestens ein Patent, wie man extrem lange BR-Systeme in ein Gehäuse konstruktiv reinfalten kann.
In dieser Zwickmühle bewegt man sich und kommt trotzdem nie so richtig raus.
Nun zu den 6 Punkten, und was sie bedeuten:
1. Die Luft im BR-Rohr kann beliebig verschoben werden, eine Passivmembran hat wie eine Aktivmembran eine begrenzte Auslenkbarkeit. Durch geeignete Dimensionierung muß dem Rechnung getragen werden.
Die durch die Passivmembran zu verschiebende Luft ist um den Faktor 2 (normale Musik und Geräusche) bis Faktor 3 (Orgelmusik) größer als die der Aktivmembran.
Dies kann gelöst werden durch:
a) Pro Aktivmembran 2...3 Passivmembranen
b) Größere Passivmembran (z.B. 30 cm) als die dazugehörige Aktivmembran (z.B. 20 cm)
c) Passivmembran mit anderer Aufhängung, die größere Hübe zuläßt °)
d) beliebige Kombinationen aus a) bis c)
2. Eine PM erzeugt Rückstellkräfte, die Membran wird durch die Aufhängung wieder in die Ruhelage gezogen. Das erzeugt eine Nullstelle in der Übertragungsfunktion. Durch geeignete Dimensionierung muß dem Rechnung getragen werden.
Die Passivmembran muß wesentlich weicher aufgehangen sein als die Aktivmembran.
Die Sicke ist nicht das Problem, aber die Zentrierspinne muß wesentlich weicher sein. °)
Für den Techniker: Vas der Passivmembran sollte mindestens 4*V, besser noch 9*V betragen, wobei V das effektive Innenvolumen der Box ist.
3. Die Rohrlänge von BR-Systemen nimmt bei sehr tiefer Abstimmung schnell utopische Werte an, die nicht mehr realisierbar sind. Es müssen daher bei der Dimensionierung Kompromisse geschlossen werden. PM weisen dieses Problem nicht auf.
Passivmembranen kann man praktisch so tief abstimmen, wie man will.
Gruppenlaufzeit und Impulswiedergabe sind zwar im Tiefsttonbereich schlechter (z.B. unterhalb 16 Hz), oberhalb aber etwas besser, weil die Box tiefer abgestimmt ist.
4. PM-Systeme erzeugen keine Strömungsgeräusche. Es treten weniger Störgeräusche auf.
Angenehm. Oder hat jemand was auszusetzen?
5. Hobbybastler haben im Prinzip her keinen Zugriff auf geeignete Passivmembranen. PM-Systeme sind teurer.
Für Bastler gibt es kaum Passivmembranen. Der Einsatz von nicht angeschlossenen Aktivmembranen als Passivmembranersatz ist aus den Gründen, die in 1c) und 2) genannt würden, sehr suboptimal.
Der schlechte Ruf der Passivmembran ist das Ergebnis genau dieser Fehldimensionierung.
Er wird jetzt von Generation zu Generation weitererzählt.
Zum zweiten Satz: Eine ordentliche PM ist natürlich wesentlich teuerer als ein BR-Rohr, auch wenn dieses aufwendig konstruiert ist. Üblicherweise sind PMs sogar teurer als Aktivmembranen, obwohl sie weniger enthalten (kein Magnet, keine Schwingspule, keine Zuführungen, ...)
6. Die Hubentlastung der Aktivmembran nimmt bei hohen Pegeln erheblich ab. Durch geeignete Dimensionierung läßt sich der Effekt etwas reduzieren. PM-Systeme sind in dieser Beziehung deutlich einfacher zu dimensionieren.
Siehe A) bis C)
Das ganze heißt
NICHT, daß Passivmembransystem BR-Systemen prinzipiell überlegen sind, aber es gibt Nischen, die mit BR-Systemen nicht erreicht werden können, die aber für PM-Systeme kein Problem darstellen.
- kompakte, trotzdem sehr tief reichende Subwoofer der höheren Preisklasse (ELAC hat sich da z.B. eingenistet)
- große AW-1000-artige Subwoofer mit etwas geringeren Maximalpegeln im Bereich um die 40 Hz, aber mit einer größeren Leistungsbandbreite nach unten.
Für genaue Angaben bräuchte ich die technischen Parameter der eingesetzten Chassis sowie die Innenvolumina der AW-(7, 440, 550, 880, 1000). Ein Firmengeheimnis sollte das nicht sein, die Konkurrenz braucht sich nur einen zu kaufen und auf den Prüfstand zu stellen und das Teil mal ausmessen. Wenn sie frech sind, schicken sie es danach wieder zurück.